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Umgangsrechtsrecht der Großeltern

Wann und unter welchen Bedingungen haben Großeltern einen Anspruch auf Umgang mit ihren Enkelkindern?

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Umgangsrechtsrecht der Großeltern

Wann und unter welchen Bedingungen haben Großeltern einen Anspruch auf Umgang mit ihren Enkelkindern?

Umgang der Großeltern mit ihren Enkeln

Die Beziehung zwischen Enkeln und Großeltern ist häufig etwas ganz Besonderes. Dennoch besteht kein unbedingtes Recht der Großeltern auf Umgang. Kommt es hierüber zu Streit mit den Kindeseltern, kann eine Entscheidung des Familiengerichts erforderlich sein.

Kein Umgangsrecht der Großeltern bei Zerwürfnis mit den Eltern

Der Umgang der Großeltern mit dem Kind dient regelmäßig nicht seinem Wohl, wenn die – einen solchen Umgang ablehnenden – Eltern und die Großeltern so zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt geriete. Der Erziehungsvorrang ist von Verfassungswegen den Eltern zugewiesen. Missachten die Großeltern diesen, lässt dies ein Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 1 BGB als nicht kindeswohldienlich erscheinen. Das Familiengericht kann einen „Antrag“ der Großeltern auf Umgang bei fehlender Kindeswohldienlichkeit schlicht zurückweisen, weil es – anders als beim Umgangsrecht der Eltern – nicht um die Ausgestaltung eines bestehenden Umgangsrechts geht, sondern bereits die Voraussetzungen für ein Umgangsrecht fehlen.

Beschluss des BGH vom 12.7.2017, XII ZB 350/16

Großeltern beanspruchten Umgang mit ihren Enkelkindern

Die Antragsteller begehrten Umgang mit ihren beiden Enkeln. Sie sind die Großeltern mütterlicherseits der Kinder K, geboren am 12.10.2006, und M, geboren am 15.9.2008. Die Kinder wachsen bei ihren leiblichen Eltern, den Antragsgegnern, auf. Nach der Geburt hatten die Kinder zunächst regelmäßigen Kontakt mit den Großeltern. 2009 kam es zu einem Kontaktabbruch. 2011 wurde der Kontakt wieder aufgenommen. Dem lag unter anderem eine Vereinbarung zugrunde, die die Eltern und die Großeltern im Jahr 2011 geschlossen hatten. Darin verpflichteten sich die Großeltern, den Eltern ein zinsloses Darlehen zur Verfügung zu stellen. Umgekehrt wurde ihnen hinsichtlich der Kinder ein Umgangsrecht eingeräumt. Das Darlehen sollte sofort zur Rückzahlung fällig sein, sofern durch die Eltern das Umgangsrecht nicht mehr gewährt würde. Seit Juli 2014 lehnen die Eltern den Umgang ihrer Kinder mit den Großeltern erneut ab. Anlass dafür gab ein Schreiben der Großeltern an das zuständige Jugendamt bekannt geworden war, in dem sie diverse Vorwürfe und Bedenken in Bezug auf die Erziehung der Kinder durch die leiblichen Eltern, überschrieben mit den Worten „Vorfälle von seelischer Misshandlung der Enkelkinder (…)“, vorbrachten.

Das AG Erding wies den Antrag der Großeltern auf Einräumung eines Umgangsrechts zurück, nachdem es den Kindern einen Verfahrensbeistand bestellt, ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten eingeholt und die Eltern, die Großeltern sowie die Kinder persönlich angehört hatte. Das OLG München wies die Beschwerde der Großeltern zurück, ohne die Beteiligten erneut anzuhören. Hiergegen wandten sich die Großeltern mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde. Das Rechtsmittel blieb im Ergebnis jedoch erfolglos.

Rechtsbeschwerde der Großeltern blieb erfolglos

Der BGH legt dar, dass die Entscheidung des OLG nicht zu beanstanden sei, soweit es die Voraussetzungen für ein Umgangsrecht der Großeltern verneint hat. Gemäß § 1685 Abs. 1 BGB haben Großeltern ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient. Für die Frage, was dem Wohl des Kindes dient, kann § 1626 Abs. 3 S. 2 BGB als Auslegungshilfe herangezogen werden. Danach gehört der Umgang mit anderen Personen (als den Eltern), zu denen das Kind Bindungen besitzt, zum Wohl des Kindes, wenn deren Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

Der Umgang der Großeltern mit dem Kind dient hingegen regelmäßig nicht seinem Wohl, wenn die – einen solchen Umgang ablehnenden – Eltern und die Großeltern so zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt geriete. Daneben ist zu berücksichtigen, dass der Erziehungsvorrang von Verfassungswegen den Eltern zugewiesen ist. Ist zu befürchten, dass die Großeltern diesen Erziehungsvorrang missachten, lässt dies ein Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 1 BGB deshalb ebenfalls als nicht kindeswohldienlich erscheinen. Schließlich ist zur Feststellung der Kindeswohldienlichkeit eine umfassende Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls durchzuführen.

Gemessen daran sei es rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden, dass das OLG die Voraussetzungen für einen Umgang der Großeltern verneint hat. Selbst wenn man vorliegend tragfähige Bindungen der Kinder zu den Großeltern unterstellt, kann daraus keine positive Vermutung der Kindeswohldienlichkeit hergeleitet werden. Denn weitere Voraussetzung für eine solche Vermutung wäre, dass die Aufrechterhaltung der Bindungen für die Entwicklung der Kinder förderlich ist. Hiervon kann den Feststellungen des OLG zufolge indes nicht ausgegangen werden.

Danach bestehen erhebliche Zerwürfnisse zwischen Eltern und Großeltern. Letztere sind ersichtlich nicht bereit, den Erziehungsvorrang der Eltern zu respektieren. Im Gegenteil: Sie stellen deren Erziehungskompetenz auch gegenüber Dritten, namentlich dem Jugendamt, deutlich infrage, indem sie die Eltern der seelischen Misshandlung der Kinder bezichtigen, was sich nach den tatrichterlichen Feststellungen indes nicht bestätigt hat. Im Falle der Umgangsanordnung wäre ein Loyalitätskonflikt für die Kinder unausweichlich. Dabei kann dahinstehen, ob die Ursachen hierfür eher bei den Eltern (so wohl das AG) oder bei den Großeltern (so wohl das OLG) liegen. Allein der Umstand, dass die Eltern im Jahr 2011 nur bereit waren, einen weiteren Umgang zuzulassen, wenn die Großeltern ihnen ein zinsloses Darlehen gewähren und die Beteiligten hierüber sogar eine schriftliche Vereinbarung abgeschlossen haben, zeigt, wie desolat das Verhältnis zwischen ihnen ist.

BGH klärte Grundsatzfragen zum Großelternumgang

Der BGH nutzte die Möglichkeit, an dem vorliegenden Fall Grundsatzfragen zu beantworten und Leitlinien zur Lösung diffuser Gemengelagen von Großeltern-, Eltern- und Kindesinteressen zu formulieren.

Das Umgangsrecht der Großeltern steht als aliud – nicht als minus – neben dem der sorgeberechtigten Eltern; der Zweck unterscheidet sich: Den sorgeberechtigten Eltern(-teilen) ist wegen des Erziehungsprimats ein umfänglicher Vorrang im Kontakt mit ihren Kindern einzuräumen, um die Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung nicht zu konterkarieren. Der Umgang mit den Großeltern – und mehr noch der mit den nicht sorgeberechtigten Eltern(-teilen) – dagegen dient zuvörderst den sozialen und menschlichen Bedürfnissen des Kindes (Kenntnis der Abstammung; Bildung und Reifung von Identität und Selbstverständnis; Erfahrung von Geborgenheit und Zuneigung). Faktisch sind damit beide Rechte wegen ihres starken Kindeswohlgepräges treuhänderisch und dienend.

Diese Wertungen finden in § 1626 Abs. 3 BGB – als Grundnorm des Umgangsrechts – ihren Niederschlag. Beim erziehungsrelevanten Umgang der Eltern wird die Kindeswohldienlichkeit vermutet. Das korrelierende subjektive Recht aus § 1684 Abs. 1 BGB als unmittelbarer Ausfluss des Elternrechts ist nur zu versagen, wenn das Kindeswohl entgegensteht (negative Prüfung). Beim Umgang der Großeltern müssen Bindungen zum Kind bestehen, deren Aufrechterhaltung der Entwicklung förderlich sind.

Großeltern trifft Feststellungslast

Im Verfahren auf Regelung des Umgangsrechts trifft die Großeltern die Feststellungslast. Sie müssen konkret darlegen und dazu vortragen, welche faktischen Beziehungen – etwa in Form von Besuchskontakten, Urlaubsreisen, Kindergarten- und Schulbringdiensten und Telefonaten – bestehen oder angestrebt werden. Die bloße Abstammung reicht als „Bindung“ nicht aus. Bestehen Bindungen, so wird widerleglich vermutet, dass deren Aufrechterhaltung dem Kindeswohl dient. Andernfalls sind Ermittlungen erforderlich (Anhörung, Sachverständigengutachten etc).

Kleinere Meinungsverschiedenheiten zwischen Eltern und Großeltern reichen in der Regel nicht aus, um den Umgang zu versagen. Erforderlich ist eine tiefgreifende Zerrüttung, die kindsspezifisch nachteilig wirken muss. Eine unbegründete Verweigerungshaltung der Eltern steht einem Umgangsausschluss grundsätzlich entgegen. Führt die missbräuchliche Weigerung der Eltern allerdings zu einem Loyalitätskonflikt beim Kind, kann dies wieder gegen den Umgang sprechen. In die Abwägung einzustellen sind aber stets die negativen Folgen eines Bindungsabbruchs.

Besteht trotz Loyalitätskonflikt ein Bedürfnis des Kindes nach Umgang, sind zum Ausschluss mildere Mittel wie Weisungen und Auflagen in Betracht zu ziehen. So sind eine jugendamtliche Unterstützung oder Mediationen denkbar. Umgangspflegschaft und begleiteter Umgang dürften als Lösungen kaum in Betracht kommen.

Zur Frage des Umgangsrechts der Großeltern siehe auch Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 23.10.2017, Aktenzeichen 3 UF 120/17.

Verfasser:
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht
Scheidungsanwalt
Frank Baranowski, Siegen
Telefon: 0271 - 56055

 

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