Unterhalt
Einvernehmliche Abänderung des Vollstreckungstitels und Fragen der Beweislast
Einvernehmliche Abänderung des Vollstreckungstitels und Fragen der Beweislast
Einvernehmliche Abänderung des Vollstreckungstitels und Fragen der Beweislast
Die Beteiligten eines Unterhaltsverhältnisses sind nicht daran gehindert, im gegenseitigen Einvernehmen einen bestehenden gerichtlichen oder urkundlichen Unterhaltstitel außergerichtlich durch einen neuen Vollstreckungstitel im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO zu ersetzen. Beruht die Erstellung einer vollstreckbaren Jugendamtsurkunde auf einer Unterhaltsvereinbarung der Beteiligten, sind diese an den Inhalt der Vereinbarung materiell-rechtlich gebunden.
Eine Abänderung der Urkunde kommt für beide Beteiligte grundsätzlich nur in Betracht, wenn dies wegen nachträglicher Veränderungen nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage geboten ist. Begehrt der früher allein barunterhaltspflichtige Elternteil nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes unter Hinweis auf die nunmehrige Mithaftung des früheren Betreuungselternteils Herabsetzung des zur Zeit der Minderjährigkeit titulierten Kindesunterhalts, muss grundsätzlich das volljährig gewordene Kind die gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB auf seine Eltern entfallenden jeweiligen Haftungsanteile im Abänderungsverfahren darlegen und beweisen (Beschluss des BGH vom 07.12.2016, XII ZB 422/15).
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall stritten die Beteiligten um die Abänderung einer Jugendamtsurkunde über Kindesunterhalt. Der im Februar 1995 geborene Antragsteller, Student ohne eigenes Einkommen, und sein Vater stritten über die Abänderung einer Jugendamtsurkunde. Der titulierte Kindesunterhalt wurde mehrfach abgeändert, unter anderem durch Urteil vom 06.08.2007. Im Folgejahr verpflichtete sich der Kindesvater durch Jugendamtsurkunde vom 16.06.2008, unter „Abänderung“ des vorgenannten Urteils, einen höheren Unterhalt zu zahlen. Im vorliegenden Verfahren machte der Antragsteller in Abänderung der Jugendamtsurkunde höheren Unterhalt geltend. Der Antragsgegner hingegen verlangte Herabsetzung des Unterhaltes.
Der BGH musste darüber befinden, ob der ursprüngliche Unterhaltstitel, nämlich das amtsgerichtliche Urteil, weiterhin Bestand hat oder ob dieser Titel durch die vom Antragsgegner einseitig nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 60 SGB VIII errichtete Jugendamtsurkunde ersetzt werden konnte. Dem Gesetz lässt sich nicht entnehmen, dass eine gerichtliche Entscheidung über Kindesunterhalt nicht durch eine vom Unterhaltspflichtigen einseitig errichtete Jugendamtsurkunde ersetzt werden kann. Ebenso wenig hindert die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung die Beteiligten daran, ihre Rechtsbeziehungen abweichend als Ausdruck ihrer Privatautonomie neu zu gestalten.
Zwar konnten die Beteiligten durch eine außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gemeinsam erstellte Urkunde die gerichtliche Entscheidung nicht im engeren Rechtssinn formell abändern, denn das hätte eines gerichtlichen Abänderungsverfahrens gem. §§ 238 ff. FamFG bedurft. Insoweit handelt es sich um zwingendes Recht. Doch steht es dem Unterhaltsverpflichteten frei, mit der Erstellung einer neuen Jugendamtsurkunde einen zusätzlichen Vollstreckungstitel im gleichen Unterhaltsverhältnis unter Erhöhung oder Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung zu erzeugen, während es dem Unterhaltsberechtigten auf der anderen Seite unbenommen bleibt, auf seine Rechte aus dem ursprünglichen Unterhaltstitel ganz oder teilweise zu verzichten. Die Beteiligten eines Unterhaltsverhältnisses sind deshalb aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, im Einvernehmen einen bestehenden (gerichtlichen oder urkundlichen) Unterhaltstitel durch einen neuen Unterhaltstitel zu ersetzen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass dem Unterhaltsempfänger eine vom Unterhaltsverpflichteten einseitig erstellte Jugendamtsurkunde nicht aufgedrängt werden kann.
Der BGH führt weiter aus, dass aus der Entgegennahme und Verwendung der Urkunde durch den Antragsteller ein zumindest stillschweigendes, also konkludentes Einvernehmen erzielt wurde, die gerichtliche Unterhaltsentscheidung durch die Jugendamtsurkunde zu ersetzen.
Im zweiten Schritt stellte sich die Frage, ob die Jugendamtsurkunde nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anzupassen ist. Haben sich die Beteiligten im Voraus darüber geeinigt, dass ein bestimmter Unterhalt zu zahlen ist und dieser in einer Jugendamtsurkunde tituliert wird, sind beide Beteiligten an die vereinbarten Grundlagen der Unterhaltsbemessung gebunden. Entsprechendes gilt, wenn ein Unterhaltsberechtigter einen bestimmten Unterhalt verlangt und der Unterhaltspflichtige daraufhin eine Jugendamtsurkunde über den geforderten Betrag erstellen lässt.
Ein Unterhaltsschuldner, der sich durch einseitig erstellte Jugendamtsurkunde zu Unterhaltszahlungen verpflichtet habe, kann sich nicht ohne Weiteres von seiner übernommenen Unterhaltsverpflichtung lösen. Seine Erklärung stellt ein einseitiges Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB dar, welches Bindungswirkungen entfaltet. Eine Änderung setzt voraus, dass der Unterhaltsschuldner eine Änderung der tatsächlichen Umstände, der Gesetze oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die sich auf die Höhe seiner Unterhaltspflicht auswirkt, darlegt.
Stammt der abzuändernde Titel aus der Zeit der Minderjährigkeit des Kindes, haben sich mit der Vollendung des 18. Lebensjahres die maßgeblichen Verhältnisse geändert, die ihm zugrunde lagen. In diesem Fall bleibt es bei den allgemeinen Regeln der Beweislast. Das volljährig gewordene Kind muss als Abänderungsantragsgegner auch im Abänderungsverfahren den Fortbestand seines Unterhaltsanspruchs und damit die auf die jeweiligen Elternteile entfallenden Haftungsanteile darlegen und beweisen. Dies setzt schlüssigen Sachvortrag voraus. Insbesondere ist konkret zu den Einkommensverhältnissen des anderen Elternteils vorzutragen. Insoweit tritt eine Beweislastumkehr ein.
Diese Entscheidung des BGH zeigt Möglichkeiten auf, einen bestehenden Unterhaltstitel durch eine einseitige Verpflichtungserklärung abzuändern. Allerdings birgt eine solche Lösung Risiken, da zwei Titel in der Welt sind. Lässt man sich auf eine solche Regelung ein, so sollte der Unterhaltsverpflichtete darauf achten, dass ihm die vollstreckbare Ausfertigung des früheren Titels ausgehändigt wird. Andernfalls besteht die Gefahr, doppelt in Anspruch genommen zu werden.
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